Pflegebedürftig, und dann?

Gesundheitsminister Dr. Philippi zu Gast beim Katholischen Pflegeverbund

Rund um die Pflege im ländlichen Raum drehte sich der Infoabend „Pflegebedürftig, und dann?“ im Historischen Rathaus Duderstadt.

Was kann getan werden, wenn plötzlich jemand pflegebedürftig wird? Diese Frage stand im Mittelpunkt einesInfoabends im Historischen Rathaus Duderstadt, den der Katholische Pflegeverbund Duderstadt (KPVD) organisierthatte. Als prominentester Gast konnte Bürgermeister Thorsten Feike den Niedersächsischen Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi begrüßen. Zum KPVD gehören die Caritas, die Malteser und St. Martini.

In seinem Grußwort stellte Philippi auch die Ideen der Landesregierung vor, wie in den kommenden Jahren die Pflege gesichert werden soll. Zahlreiche Partner wie die Wohlfahrtsverbände seien in die „Konzertierte Aktion Pflege Niedersachsen“ eingebunden. „Wir ziehen an einem Strang“, meinte der Minister. Beispielsweise ermögliche das Kultusministerium Kurzausbildungslehrgänge, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Beteiligten, um die pflegerische Versorgung für die Zukunft, für uns alle sicherzustellen“, sagte der Minister.

Außerdem verwies Philippi auf die Fortschritte in der Robotik. Der Fokus liege dabei „ausdrücklich auf einer Entlastung des Personals, nicht auf dem Ersetzen des Personals“. In einemModellversuch werde derzeit die Spracherkennung getestet, um während der Arbeit dokumentieren zu können und nicht erst anschließend. Die Sicherstellung der Pflege sei zudem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Wir sind zuversichtlich, dass uns das gelingt“, betonte der Gesundheitsminister.

Während einer anschließenden Talkrunde wurden die täglichen Herausforderungen in der Pflege angesprochen. Ob es der Personalschlüssel im Krankenhaus ist, die Schwierigkeit, überhaupt genügend Personal zu finden oder die Frage, wer sich eigentlich zuhause um Pflegebedürftige kümmert, wenn Angehörige die Pflege nicht leisten können.„Ich war überrascht, wie viel angeboten wird“, sagte Julia Hagemann als pflegende Angehörige. Ihr Vater ist mittlerweile regelmäßiger Gast in der Malteser-Tagespflege in Duderstadt.

Bei Urlaub oder Krankheit der pflegenden Angehörigen seienKurzzeitpflegenetze sinnvoll, ergänzte Minister Philippi und betonte: „Wir in Niedersachsen haben es geschafft und ein Kurzzeitpflegegesetz auf den Weg gebracht.“

Vorsorgevollmacht ab dem 18. Lebensjahr nötig

Aus dem pflegerischen Alltag informierte Caritas-Pflegeteamleiterin Angela Jakob. Beim Einsatz von Spracherkennung für die Pflegedokumentation befürchtete sieallerdings, der menschliche Kontakt könnte zu kurz kommen. „Ich spreche lieber mit dem Patienten und nicht mit der Akte“, sagte Jakob. Ein wichtiges Thema sei zudem, dass pflegende Angehörige nicht allein gelassen werden dürften. „Wir beraten Angehörige, wir machen die ambulante Pflege, aber wir gehen auch wieder, alle pflegenden Angehörigen haben ganz, ganz viel Respekt verdient, denn die müssen sich kümmern“, sagte Jakob und meinte zudem: „Ohne Angehörige ist es schwierig. Im ländlichen Bereich haben wir keine Einkaufsmöglichkeiten mehr, die Patienten sind auf sich gestellt und auf Angehörige und den Pflegedienst angewiesen.“

„Wir sind der Anwalt für den Patienten, damit er erhält, was er benötigt“, stellte Barbara Hose ihren Arbeitsbereich als Sozialdienst im Krankenhaus St. Martini vor. „Das erste ist, wir informieren uns mit der Ärzteschaft, dem Patienten und den Angehörigen, was eigentlich vorliegt.“ Dabei werde auch geklärt, ob ein Pflegegrad vorhanden sei und entsprechende Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden könnten. Da Pflegebedürftigkeit keine Frage des Alters sei, werde eine Vorsorgevollmacht ab dem 18. Lebensjahr benötigt, denn es sei immer wichtig zu wissen, wer unterschreiben darf, wenn es die pflegebedürftige Person nicht mehr könne.

Problematisch sei aktuell auch die Bürokratie, meinte Hose. So gebe es je nach Versicherung unterschiedliche Formulare, um die gleichen Leistungen zu beantragen. Auch würden viel mehr Pflegeheimplätze benötigt. „Können wir so etwas einführen, wie einen Solidaritätszuschlag für die Pflege?“, fragte sie in die Runde und den Minister. Philippi antwortete, es habe ähnliche Überlegungen schon zu seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter gegeben. Wichtiger sei, die Pflegeversicherung besser aufzustellen. Mit den Kassen wolle auch über die Formulare ins Gespräch kommen.

Auf die Vorteile der pflegerischen Versorgung im ländlichen Raum verwies Mohammed Chebbok, Chefarzt Innere Medizin und Geriatrie im St. Martini Krankenhaus. „Die Versorgung hier in Duderstadt, hier im Eichsfeld ist um Welten besser als in Großstädten. Für die Versorgung sind Familienstrukturen von Vorteil“, betonte Chebbok. Nach einem Krankenhausaufenthalt sei die Unterstützung der Angehörigen wichtig.

„Wir können das nur alles besser machen, wenn wir alle gemeinsam am gleichen Strang ziehen. Wir brauchen viel, viel mehr gegenseitiges Vertrauen“, betonte der Gesundheitsminister zum Abschluss der Talkrunde. „Der Zusammenhalt untereinander ist in ländlichen Regionen besser als in Oberzentren und Städten. Das müssen wir unterstützen, das soll so bleiben“, sagte Philippi. In seiner Funktion als Arbeitsminister kümmere er sich auch um weitere Fachkräfte. So müssten zuverlässige Arbeitszeiten geboten werden,„Modellprojekte mit Vier-Tage-Woche werden unheimlich nachgefragt“. Das Land Niedersachsen sei zudem international auf der Suche. Ministerpräsident Stephan Weil habe zur Fachkräftegewinnung Vietnam besucht, er selbst Indien.

In Kurzvorträgen und an Infoständen informierten die Mitglieder im KPVD über die sich ergänzenden Angebote. Der Landkreis Göttingen war mit dem Senioren- und Pflegestützpunkt vertreten. Die zahlreichen Gäste des Abends konnten zudem den Demenz-Parcours der Malteser testen und gesunde Smoothies probieren.

Die Aufzeichnung der gesamte Veranstaltung unter folgendem Link